Der Planet muß gerettet werden

Es gibt eine Scholastik des Zeitgeists, die sich rühmt, Vollstreckerin eines ihr anvertrauten göttlichen Willens zu sein. Ihr Auftrag: Bewahrung der Schöpfung. Um der kommenden Generationen willen und um des anvertrauten Planeten willen. Nicht Selbstbehauptung ist dabei das Motiv, sondern Selbstermächtigung. Im schöpfungsgeschichtlichen Staffellauf ist der Stab von Gott an die Menschheit weitergereicht worden, deren Berufung zur Bewahrung des Sechstagewerks es nun bewußt zu machen gilt. Eine intellektuelle Priesterkaste, vor Erleuchtung glühend, hat sich Mission und Missionierung zu eigen gemacht. Auf den Kirchenbänken der sozialen Netzwerke werden die Ungläubigen mit Höllenpredigten beschallt, deren Kerntemperatur proportional zur Erderwärmung steigt. Kehret um und tut Buße! Der Planet muß gerettet werden.

Hans Blumenberg hat aus Anlaß der Bewahrung der Schöpfung Ein Futurum verfaßt, Stand 1990:

„Als privater ‚Futurologe‘ – Fossil einer kurzlebigen und vor ihren prognostizierten Untergängen schon untergegangenen Erfindung zur Vermehrung von Instituten und Lehrstühlen – sehe ich voraus, daß dem Grundgesetz der Bundesrepublik nicht erspart bleiben wird, von den großen Worten noch einiges mit juristischer Dezenz einverleibt zu bekommen. Nur durch rechtzeitigen Hinschied, wie man andernlands sagt, kann ich dem Tag entgehen, an dem der Artikel dastehen wird, die Bürger und ihr Staat seien zur Bewahrung der Schöpfung ‚aufgerufen‘. Von wem darf sich jeder dazudenken oder dazuglauben. Die Rede von der ‚Bewahrung der Schöpfung‘ ist nicht nur ein großes Wort, es ist auch ein in sich unwahres. Wäre die ‚Schöpfung‘ eine solche, könnten wir sie getrost demjenigen, der sie zustande gebracht hätte, zur Bewahrung überlassen. Schließlich wäre es seine Sache, wie die von jedermann sonst, die Folgen einer Handlung zu verantworten. Schierer Unfug ist es anzunehmen, jener hätte dieses Amt nach sechstägiger Erschaffungsmühe, mehr als einen Sabbat nehmend, der Kreatur des letzten Tages überlassen.“ (Hans Blumenberg; Ein mögliches Selbstverständnis; S. 20)

Das Ermächtigungsgesetz zur Übernahme der Schöpfungsgeschäfte wird nun amtsseitig verkündet mit der Erwartung, alles andere habe hinter der eschatologisch-klimatischen Naherwartung und ihren Folgen zurückzustehen. Mit der Bewahrung der Schöpfung wird auch der Sinnverlust der Moderne überwunden. Die ecclesia salvatorum mundi ist Sach- und Sinnwalterin und der von Blumenberg befürchtete Aufruf erschallt unter den Fanfarenklängen der sieben apokalyptischen Posaunen des jüngsten Gerichts vom Weltgebäude herab. – Dummheit hört sich gern auf große Trommeln schlagen.



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