Antwort an Burkart (01)

Ja, die „friedliche, sonntägliche Gemeinschaft“ ist eine Sozialform, deren Urbild man in Verdacht nehmen könnte, daß es Züge eines platonischen „Symposions“ in sich trägt. Platons Symposion wird in den Übersetzungen gern mit „Trinkgelage“ wiedergegeben. Auch beim letzten Abendmahl Christi mit seinen Jüngern floß der Wein. Einzelheiten berichtet der Evangelist zwar nicht, aber immerhin heißt es dort „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ als der Wein gereicht wird, zugegeben, mit ein wenig Wasser verdünnt.

Der Wein ist auch heute noch Bestandteil des Gottesdienstes. Man hat ja mitunter den Eindruck, daß es in den Messen nur ernsthaft zugeht; in den vierzig Jahren meiner Tätigkeit als Organist in einer kleinen katholischen Gemeinde – als Kind wollte ich mal Geistlicher werden – war es nicht selten eine vergnügliche Sache, wenn die „sonntägliche Gemeinschaft“ zusammenkam. Im Sommer standen die Fenster und Türen weit auf, Spatzen flogen durch durch das Kirchenschiff, setzten sich auf die Orgelpfeifen, der kleine Chor sang und durch die ganze Kirche zog sich eine Mischung aus Weihrauch und dem Duft von Heu. Manchmal kam ein Hund in die Kirche und suchte sein Herrchen, auch schon mal eine verstörte, neugierige Ziege. Man kannte sich und man kümmerte sich auch um einander. An hohen Feiertagen wurde die Kirche von den Dorfbewohnern geschmückt. Ich erinnere mich an die kalten Winternachmittage, an denen ich die Kirche ganz für mich allein hatte. Ich war fünfzehn als mein Orgelunterricht begann. Bachs kleine Präludien und Fugen hatte ich zu üben und darüber wurde es draußen stockdunkel. Ich löschte das Licht auf der Orgelbühne und mußte, um die Kirche zu verlassen im Dunkeln von hinten durch die ganze Kirche bis zum Altar und dann in die kleine Sakristei und von dort führte eine kleine Treppe nach draußen. Das war anfangs etwas gruselig, so ganz allein im Finstern durch die Kirche zu gehen. Das „ewige Licht“ bot eine minimale Orientierung. Später war die Kirche immer ein Ort der Ruhe, des Rückzugs. Heute finden in dieser Kirche keine Gottesdienste mehr statt. Es mangelt an Geistlichen und es mangelt an Kirchenbesuchern.

Die Menschen auf dem Land hatten damals nicht den Wohlstand, den wir heute haben, aber sie waren auch nicht weniger glücklich als sie es heute sind. Adalbert Stifter hat in seiner Erzählung Der Nachsommer diese Atmosphäre wunderbar eingefangen. Heute lebt man in den kleinen Dörfern nicht viel anders als in den Städten. Die dörfliche Idylle von damals ist untergegangen.



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