Niklas Luhmann – Einführung in die Theorie der Gesellschaft (9) [3]

Luhmann wirft die Frage auf, ob man Evolution nur als Evolution des Systems Gesellschaft fassen kann oder ob man auch von einer Evolution der Funktionssysteme sprechen kann. Das erinnert ein wenig an das, was bereits über Rationalität gesagt wurde, daß für die Funktionssysteme je eine eigene Rationalität gilt. „Gibt es so etwas wie eine Ideenevolution?“ (S. 221) – Mit Ideenevolution meint Luhmann zum Beispiel Begriffsgeschichte, Semantiken, Leitvorstellungen u.ä. Es gibt an dieser Stelle eine der eher seltenen Ausführungen Luhmanns zur Hermeneutik, namentlich zu Odo Marquard. Bei Marquard besteht die Hermeneutik in der Kunst, etwas in einen Text hineinzulesen, was nicht drin steht. Unter dem Aspekt der Ideenevolution geht es dann um die Frage wie sich bestimmte Interpretationen und Auslegungen gegenüber anderen behaupten und durchsetzen. Das betrifft aber nicht nur literarische, sondern auch die biblische oder die juristische Hermeneutik.

Die Frage nach einer spezifischen Evolution der Funktionssysteme erläutert Luhmann danach an Systemen wie Recht, Wirtschaft oder Politik. Die soziologische Forschungslage war diesbezüglich im Jahre 1992 noch dürftig. Insofern soll auf Einzeldarstellungen hier verzichtet werden. Dreißig Jahre nach der Gesellschaft der Gesellschaft mag diese Lage heute eine andere sein als damals.



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